Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF) lautet ein Projekt zur Technikfolgen-Abschätzung im Bereich Energie, Ressourcen, Umwelt mit externen Gutachten des Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Der diesbezüglich vom TAB bis Oktober 2020 verfasste Endbericht hat den Prozess der Abnahme durch die Berichterstattergruppe TA der Fraktionen durchlaufen und wurde als Drucksache des Deutschen Bundestags vorveröffentlicht.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005646.pdf
Technikfolgenabschätzung fordert Ende der Verharmlosungen
Am 14.02.2023 veröffentlichte der Deutsche Bundestag die Vorabfassung der Bundestagsdrucksache 20/5646: „Technikfolgenabschätzung (TA) – Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF)“. Im November 2020 wurde der Entwurf des Berichtes den Bundestagsfraktionen zur Stellungnahme vorgelegt. Er wurde nun nach zweijähriger Beratung im Konsens der Fraktionen verabschiedet. Er ist also ein Kompromisspapier, dem alle zustimmen können. Der Bundestag hat sich damit auf eine Einschätzung zu den Risiken der Mobilfunktechnologie festgelegt. Deshalb hat der Bericht eine große Bedeutung.
https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1944
Die ständige Berichterstattergruppe TA im Bundestag wird zu Beginn jeder Legislaturperiode aus je einem Mitglied der Fraktionen im ABFTA neu gebildet. Sie tagt – gemeinsam mit dem Ausschussvorsitzenden und Vertreter/innen des TAB – in der Regel monatlich und bereitet alle das TAB und seine Organisation betreffenden Entscheidungen des Ausschusses vor: vom Beschluss über die Durchführung eines TA-Vorhabens und zugehörige Gutachtenvergaben bis zur Abnahme des Abschlussberichts. Dabei orientiert sie sich am Konsensprinzip.
Fundstelle: https://www.tab-beim-bundestag.de/berichterstattergruppe-ta.php
Technikfolgenabschätzung (TA) ist eine der großen Errungenschaften des späten 20.Jahrhunderts – begründet, entwickelt und inzwischen vielerorts auf den unterschiedlichsten gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Ebenen institutionalisiert, basierend auf den oft schmerzlichen, häufig genug destruktiven, in extremen Ereignissen auch existenzvernichtenden Auswirkungen des technologischen Fortschritts der Moderne. Immer noch lesenswert ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel die europäische Publikation Späte Lehren aus frühen Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896–2000, die an der Jahrtausendwende schon in ihrem programmatischen Titel auch Appell für unser Jahrhundert ist und bleibt.4
Was das Büro über sich selbst sagt, und zwar als ersten prinzipiellen Satz in seiner Selbstvorstellung, ist tatsächlich der Kern, das Zentrum, die Mitte von Technologiefolgenabschätzung: Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung.5
Damit zurück zum vorliegenden Projekt. Es lässt vor diesem Hintergrund und nach erster Ansicht einiges erwarten: auf jeden Fall unbedingte vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit, vom Charakter her also ein Schlüssel-Dokument mit gesamtgesellschaftlich hoch relevantem Orientierungsanspruch in sehr schwieriger Zeit.
Wir lesen weiter und stellen nach einer längeren Geduldsprobe
fest:
Der Bericht ist gar keine Technikfolgenabschätzung, denn es fehlt das Entscheidende
Das Lesen ist mühsam und zeitaufwendig. Denn wir suchen im weiteren Angaben zu Projektträgern und Gutachtern. Eigentlich gehörten sie schon in den Mantel einer Publikation.
Wir lesen dabei zwischendurch den wahren Satz (S. 15):
Wichtig ist außerdem, dass die Unabhängigkeit der Forschung nachvollziehbar gegeben ist sowie größtmögliche Transparenz bezüglich ggf. bestehender Interessenkonflikte hergestellt werden kann.
Das ist wichtig, sogar hochwichtig.
Aufmerksam werden wir unter anderem durch folgende Sätze im einleitenden Teil: Zugleich wurde für den vorliegenden Bericht von der durch die schweizerische Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation (FSM) an der ETH Zürich entwickelten Evidenzmatrix Gebrauch gemacht (S. 11). Das heißt also in einfachen Worten: Daher kommen die fundierten Informationen, die fundierten Bewertungsmaßstäbe und -kriterien. Und ‚ETH Zürich‘, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, das klingt ausgezeichnet.
Erst auf S. 20 steht dann explizit der zentrale Gutachter für gesundheitliche Risiken verzeichnet: Aktuelle Forschungen zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen bzw. Risiken der HF-EMF.
Dr. Gregor Dürrenberger, Dr. Jürg Fröhlich; FSM – Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation, ETH, Zürich.
Und schließlich: Die Verantwortung für die Auswahl, Strukturierung und Verdichtung des Materials sowie dessen Zusammenführung mit Informationen aus eigenen Recherchen und Analysen liegt bei den Verfassern und der Verfasserin des vorliegenden Berichts, Dr. Reinhard Grünwald, Dr. Christoph Revermann und Dr. Pauline Riousset.
Wir schauen weiter nach, aber an anderen Orten. An der altehrwürdigen und hochgeschätzten ETH Zürich ist die Geschäftsstelle FSM angesiedelt.6 Wir erfahren weiterhin, dass FSM selbst als Mittelgeber auf ihrer Stiftungsseite die Industrieunternehmen Swisscom, Swissgrid, Sunrise, Cellnex und Ericsson nennt.7 Dass die vorliegende Ausarbeitung von der schweizerischen Swisscom AG bezahlt wurde, geht aus dem eBook „Mobilfunk – ein Risiko?“ hervor, die Grundlage des Berichts ist.8 Diese gleiche Broschüre, beim Schweizer Mobilfunkanbieter Sunrise aufgelegt, weist ganz
offen auf der Titel-Innenseite darauf hin: Diese Broschüre basiert auf einer Literaturstudie zum aktuellen Wissensstand über mögliche Risiken der Mobilfunkstrahlung, welche das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) der FSM in Auftrag gab.9
Wir fragen uns, warum wir als LeserInnen dieses Berichts solche längeren Wege zurücklegen müssen, um die einfachsten und selbstverständlichsten Informationen zu erhalten. Wir lassen diese Frage unbeantwortet und halten an dieser Stelle schon grundsätzlich fest, was vor Augen liegt.
Es ist klare Evidenz:
Diese Produktion kann alles Mögliche sein. Technikfolgenabschätzung ist sie nicht. Das ist grundsätzlich ausgeschlossen, sicher, felsenfest.
Auch wenn sie sich diesen Titel gibt. Auch wenn zwei demokratisch legitimierte Instanzen mit hoher Autorität die Produktion mindestens vor Augen gehabt haben müssen, weil sie als solche beglaubigt ist. Auch wenn das TAB-Büro Auftraggeber ist und Verantwortung bei ihm liegt. Denn Technikfolgenabschätzung hat, gerade weil sie so immens bedeutsam ist für unser Leben, Unabhängigkeit zur unabdingbaren Voraussetzung. Unabhängigkeit ist das stabile sichere seriöse Fundament jeder Technikfolgenabschätzung. Sonst ist sie keine.
Oder anders gesagt: Diese Produktion ist im zentralen Inhalt zu den gesundheitlichen Effekten einzig und allein mit verfügter und zugewiesener gutachterlicher Kompetenz von Industrie und Wirtschaft fundiert, die sich hier selbst begutachten.
Dass Industrie und Wirtschaft, begleitend zu ihren Aktivitäten, auf eigene Rechnung Studien erstellen, ist, solange sie als solche erkennbar bleiben, gut und richtig. Das ist gängige Praxis auch in anderen Bereichen. Dass im Mobilfunk-Bereich in Deutschland inzwischen Industrie und Wirtschaft ihre Selbstgutachten in der Maske von Technikfolgenabschätzung für das hohe Haus des Deutschen Bundestages erstellen und vorlegen dürfen, das ist ein ganz starkes Stück.
[…]
Wir bitten ganz dringend darum, glasklar wahrzunehmen und wahrzuhaben:
Dies ist nicht Technikfolgenabschätzung. Sie existiert hier nicht. Sie ist hier nicht da. Da sie nicht da ist, kann sie gar nicht solides, sicheres, seriöses Fundament für alles weitere reale Geschehen sein.
Wir wissen nicht, ob sich die Beteiligten dieses Geschehens bewusst gewesen sind, was sie hier tun oder bei was sie hier mitwirken.
[…]
https://kompetenzinitiative.com/wp-content/uploads/2023/03/KI_Statement_Maskenspiel_29_Maerz_2023.pdf