Rede im Gemeinderat Freiburg am 27. Februar 2024 zu Entscheidung über die Zulässigkeit des Einwohner_innenantrags zum Thema „Ausbaustopp für Mobilfunk 5G in Freiburg“ des Aktionsbündnisses „Freiburg 5G-frei“
(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrter Herr Oberbürgemeister,
sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,
sehr geehrte weitere Anwesende,
mehr als jeder Dritte in Deutschland ist gegen den Bau von weiteren
Mobilfunkmasten, ergab vor Kurzem eine Umfrage des Verbands der Digitalisierungsindustrie BITKOM.(1) Viele erwarten, dass die Gemeinden das tun, was die Regierung anscheinend nicht schaffen kann oder will: Ein neues Mobilfunkkonzept mit weniger Masten, weniger Strahlung und mehr Sicherheit für ihre Gesundheit.
Zu diesem Ziel beizutragen sind auch die Gemeinden kraft ihrer Planungshoheit und ihrer geschichtlich gewachsenen und in der Verfassung verankerten Autonomie in der Lage.(2) Sie sind „allzuständig“. Das heißt, sie dürfen auf Grund ihrer Nähe zum Bürger vor Ort aktiv werden, wenn dies der Daseinsvorsorge – also gerade auch der ‚Zukunftsfähigkeit‘ – dient und wenn Bund und Land nichts tun.
Und es gibt beim Mobilfunk in diesem Sinne Anlass zum Tätigwerden, Anlass zur Vorsorge gegen Mobilfunkstrahlung, entschied 2012 das Bundesverwaltungsgericht. Es bestünden nicht nur „bloße Immissionsbefürchtungen“, sondern es gebe ein „vorsorgerelevantes Besorgnispotenzial“. Das heißt, Vorsorgemaßnahmen, die die Gemeinden in kleinem Rahmen – sozusagen punktuell – ergreifen wollen, sind rechtlich begründbar und könnten von den Betreibern vor Gericht nicht mit Erfolg angegriffen werden. Deshalb war ja jene Entscheidung für die Gemeinde auch erfolgreich. Damit ist die Frage, ob die Gemeinde zur Vorsorge in die Planung der Betreiber eingreifen darf, höchstrichterlich geklärt.
Sie kann heute auch nicht neu gestellt werden, weil die Besorgnis bis heute nicht weniger geworden ist. Im Gegenteil – wir haben bereits umfangreich dazu vorgetragen. Aber nur kurz zur Erinnerung: 2015 stellte die schweizerische Regierung fest, dass die Beeinträchtigung der Gehirnwellen, also des zentralen Nervensystems, nun „wissenschaftlich ausreichend nachgewiesen“ sei – auch unterhalb der Grenzwerte.
Da ist doch der „wissenschaftliche Nachweis“, der ständig gefordert wird!
Und das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlichte 2022 – wie schon der Niederländische Gesundheitsrat – die Erkenntnis, dass Schlafstörungen durch Mobilfunk „möglich“ seien – ebenfalls unterhalb der Grenzwerte. Jahrelang war dies abgestritten worden! Auch die Gefahr einer Förderung von Krebs bei Tieren wurde nach einem eigenen großen Versuch des Bundesamts als „gesichert“ bezeichnet.
Damit wird der zentrale Punkt gesunden Wohnens, nämlich besonders ein erholsamer Schlaf, durch den Mobilfunk infrage gestellt und für die Stadtplanung von Bedeutung. Mobilfunkstrahlung innerhalb von Wohnungen muss folglich so weit wie möglich vermieden werden – oder aber wenigstens minimiert werden. Wir brauchen einen Mix von Glasfaser für die Versorgung Innen und von Mobilfunk für Draußen. Hier ist auch auf das Modell St. Gallen zu verweisen.
Unser Antrag 2 strebt diese moderne und energiesparende Versorgung modellhaft in Neubaugebieten an. Wir erinnern nochmals daran, dass ein Verzicht auf die sog. Indoor-Versorgung insgesamt etwa 50% des Energieverbrauchs der Mobilfunkbetreiber ersparen kann.
Wir nennen für dieses Modell beispielhaft ‚Dietenbach‘ und wir nennen als günstiges Beispiel weiter das vorhandene „Fast-Funkloch“ ‚Kappel‘, das jene unter uns aufnehmen kann und teilweise schon aufgenommen hat, die keinerlei Funkstrahlung mehr ertragen.
Zur Erinnerung: Der Sozial- und Wirtschaftsausschuss der Europäischen Union hat die Elektrohypersensibilität als Krankheit anerkannt.
Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte, Sie haben es in der Hand. Sie können heute den Startschuss geben für mehr Schutz und Vorsorge als es das gesetzliche Minimum der Grenzwerte bisher bietet, die keine Vorsorge enthalten.
Dies wäre heute ein wichtiger Tag für die weitere Entwicklung und Zukunft einer gesunden Stadt.
Ich danke Ihnen.
Freiburg, den 27. Februar 2024
Bernd Irmfrid Budzinski Richter am VG a.D.
(1) https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Markt-Smartphones-waechst
(2) Artikel 28 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)
Download:
Freiburg-5G-frei_Vertrauensperson-Bernd-Budzinski-Rede-Ausbaustopp-5G-im-GR-27-02-2024
Gefahren des Mobilfunks – Können die Gemeinden uns vorsorglich schützen?
Diagnose Funk, 06.02.2023
Heidenheim an der Brenz. Mitschnitt des Vortrags von Bernd Imfrid Budzinski, Richter am Verwaltungsgericht Freiburg a.D., über die rechtlichen Möglichkeiten, die Gemeinden haben, um im Bereich Mobilfunkstrahlung Vorsorgepolitik zu betreiben. Diesen Vortrag hielt Bernd Budzinski am 12.12.2022 in Heidenheim.
00:00 Titel
00:08 Risiko
02:40 Haftung
08:20 Vorsorge in Frankreich
12:20 Tierversuche
20:44 Sendeenergien
28:06 Vorsorgemaßnahmen
29:55 Abhilfe durch die Gemeinden
33:40 Gebiete ohne Indoor-Versorgung?
35:55 Klimaschädlichkeit der Indoor-Versorgung
40:38 Besonderheiten von 5G
53:50 Schluss
URL: https://youtu.be/IDhx3lYNWUU